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Bekanntlich stecke ich meistens so tief im Dispo, wie weiland die Hippies im Schlamm von Woodstock…
Manchmal nähere ich mich der einige tausend Euro von der schwarzen Null auf meinem Girokonto nach unten entfernten Grenzlinie gefährlich an – heute bis auf 32 Cent. Deshalb beschloss ich eben zu meiner Hausbank nach „Graustadt“ zu fahren, um dort am Automaten sicherheitshalber die letzten 15 Euro Bargeld die ich noch besaß aufs Konto einzuzahlen. Oft wird nämlich knapp vor Monatsende noch irgendein Kleckerbetrag automatisch abgebucht – etwa jener für meinen beruflich genutzten Webspace… Außerdem kaufte ich dort mit einer 2-Euro-Münze, die mir Philomena mitgegeben hatte, für meine Hausgefährtin zwei Orangen ein. Philomena ist gerade auch knapp bei Kasse – hatte aber Lust auf Vitamine. Mit etwas Glück überziehe ich nun meinen Dispositionskredit diesen Monat nicht mehr – überschreite diese Grenzlinie nicht.
Apropos Grenzlinien: Auf der Fahrt nach Graustadt, die durch das dräuende Nahen meiner finanziellen Grenzlinie bedingt war, sah ich eine sowohl geographische, wie auch materielle Grenzlinie sehr deutlich ausgeprägt vor mir auf dem kleinen Sträßchen, das mit einer einspurigen Brücke über den Fluss führt – deutlich zog sie sich quer zur Fahrtrichtung über den Asphalt: Auf dem zu „Obergüllestunk“ gehörigem Straßenabschnitt eine desolate Schlaglochpiste aus altem Bröckelasphalt – direkt hinter der Grenzlinie, ab der das Gebiet von Graustadt beginnt, dann frischer, babypopoglatter Straßenbelag. Obergüllestunk gehört zur Stadt „Klein-Arabien“, die legendär pleite ist. Graustadt ist zwar auch so gut wie bankrott, aber zum einen vier- bis fünfmal so groß wie Klein-Arabien und zum anderen zuckt dieser Stadt-Kadaver noch ein bisschen. Seit einigen Jahren gibt es dort sogar wieder einen leichten Hoffnungsschimmer. Man wurde Hochschulstandort, der Bevölkerungsrückgang kam zum Stillstand und kehrt sich möglicherweise allmählich um, die Stadt schmückt sich neuerdings sogar wieder etwas ausgeprägter mit frischer Blütenpracht auf den kommunalen Grünflächen.
Eindrucksvoller als die Grenzlinie der unterschiedlichen Straßenbeläge auf jener unbedeutenden Landstraße unterster Kategorie an der Grenze zwischen Obergüllestunk und dem östlichen Stadtgebietsrand von Graustadt, ist hingegen die Grenzlinie der unterschiedlichen Straßenbeläge an der Grenze von Norwegen nach Schweden, die ich dort 2011 fotografierte:
Da wechselt zusätzlich zum Belag sogar die Farbe der Mittellinien. Die hiesigen Grenzlinien sind weniger spektakulär – passend zu meiner Existenz eher Nulllinie… Immerhin bleibt mir nun dank der Minimaleinzahlung das Überschreiten der kritischen finanziellen Grenzlinie erspart – zumal Anfang Mai glücklicherweise ein paar Hundert Euro auf meinem dauer-roten Girokonto eingehen werden. Vielleicht besteht noch Hoffnung und meine zukünftige finanzielle Situation ist wenigstens mit jener der Großstadt „Graustadt“ vergleichbar, anstatt mit jener der Mittelstadt „Klein-Arabien“ – besser noch zuckender Kadaver, als schon komplett abgestorben… 😉
Eigentlich faszinieren mich fast alle Grenzen jeder Art, immer wieder. Wenn man sie überschreiten oder überfahren darf. Die zwischen roten und schwarzen Zahlen sind eher heikel, um es mal milde auszudrücken.
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Oha, hoffe, dass du die untere Grenze niemals überschreiten musst 😟
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Ausgerechnet dich hätte ich jetzt nicht mit den Hippies in Woodstock assoziiert, von daher ausgefallener Vergleich! 😀
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Hihi – genau – ich auch nicht. 😺
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Deine 32-Cent-Grenz-Geschichte erinnert mich an eine Diskussion, die ich vor einigen Jahren mit so einem Ober-Mathe-Klugscheißer hatte. Meine Behauptung war, dass ein einziger Cent entscheiden kann, ob eine Firma in Konkurs geht oder nicht.
Mein Beweis: Zwischen „mir geht es saugut“ und „mir geht es saudreckig“ liegen Zigmillionen Cent, und irgendwo zwischen zwei Centstücken verläuft die Grenze zwischen „gerade eben noch so Überleben“ und „Pleite gehen“.
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Weiß nicht – einen zuckenden Kadaver quälen noch Restnerven – auch nicht gut. 🙀
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